C.A. Delius & Söhne

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Fotos Jörg Boström 1982

Die Seiden- und Kunstweberei C.A. Delius & Söhne geht genau wie die Plüschweberei Delius & Sohn zurück auf die Leinenhandel, mit dem Johann Casper Delius 1722 an der Siekerstraße in Bielefeld begann und der unter Ernst August Delius und dessen Söhnen Gustav und Gottfried schließlich zur bedeutendsten Leinenhandlung Bielefelds gedieh. 1960 zählten die Delius-Webereien zu den modernsten in Europa. Heute ist Delius Hersteller hochwertiger Dekorations- und Möbelstoffe für den Objektbereich. Im Tochterbetrieb Delcotex in Jöllenbeck entstehen eine Vielzahl technischer Gewebe.

Das heutige Delius Outlet an der Goldstr. 16–18; Foto: Buchwald

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Beginn einer Leinen-Dynastie

1722 begann Johann Casper Delius aus Berenkämpen bei Vlotho an der Siekerstraße in Bielefeld einen Leinenhandel. Sein Sohn Daniel Adolf Delius übernahm das Geschäft in schwierigen Zeiten, denn im siebenjährigen Krieg rückten die Franzosen bis nach Bielefeld vor. Am 14. Juni 1757 wurde bei Plünderungen das gesamte Leinenlager zerstört. 1787 gründete Ernst August Delius (1763–1839), Sohn von Daniel Adolf, seine eigene Leinenhandlung E.A. Delius jr. im Haus Güsenstraße 7.

1794 begann Ernst August mit dem Verkauf von Leinen nach Amerika und Westindien. Seit 1787 im Magistrat der Stadt Bielefeld, erfreute er sich bester Kontakte in die höchste Gesellschaft. 1807 sandte ihn die Bielefelder Kaufmannschaft nach Paris, um bei Napoleon Erleichterungen für den Bielefelder Leinenhandel durchzusetzen. 1821 kehrte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit seiner gesamten Equipage im Geschäfts- und Wohnhaus Delius an der Güsenstraße ein und nächtigte dort. Ein kleines Zimmer im Haus an der Güsenstraße, in dem zwei Damen der Hofgesellschaft übernachteten, hieß fortan das „Hofdamenzimmer“.

Das 1739 erbaute Stammhaus Delius Güsenstr. 5 mit Toreinfahrt zum Innenhof 1912; Fotos: Stadtarchiv Bielefeld

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Ernst August war Mitbegründer einer Freimaurerloge sowie der Gesellschaft „Ressource“, in der später alle führenden Fabrikunternehmen und Handelshäuser vertreten sein sollten. Auch an der Anlage der „Neuen Holländischen Bleiche“ zwischen Bleichstraße und Heeper Straße war er maßgeblich beteiligt.

E.A. Delius & Söhne

1827 traten Gottfried Delius (1802–1886) und sein Bruder Gustav Delius (1794–1872) in der vierten Generation in die Firma ein. Obwohl die Konkurrenz des englischen Maschinengarns dem Geschäft große Schwierigkeiten bereitete, gedieh das Unternehmen schließlich zur bedeutendsten Leinenhandlung Bielefelds. 1836 versuchte Gustav Delius als einer der ersten in der Region, anstelle des reinen Handels das Verlagssystem in die Leinenherstellung einzuführen, also die verstreut wohnenden Weber mit Garn zu beliefern und sie nur für das eigene Unternehmen weben zu lassen. Obwohl das Experiment nicht ganz gelang, arbeiteten 1837 im Verlagssystem immerhin 200 Webstühle für E.A. Delius. Nicht umsonst hatte Gustav Delius mit 24.000 Talern in den 1830er Jahren das höchste Einkommen in Bielefeld. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. war 1842 zu Gast im Hause Delius und verlieh 1843 Gustav Delius den Titel Kommerzienrat.

Geschäftshaus mit Kontor, Wohnhaus und Lagerhaus an der Güsenstr. 5–7 in den 1920er Jahren; Foto aus: Schmidt

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Die Konkurrenz des englischen Maschinengarns und die Leinenkrise

Die prekäre Situation der Handspinner und -weber ließ Gustav Delius keine Ruhe. 1842 schrieb er in einer Eingabe an die Bezirksregierung in Minden: „Wer die Verhältnisse unserer Provinz genau kennt, kann unmöglich wünschen, daß durch die Einführung der Spinnmaschinen viele 1000 Familien unserer Spinner brotlos gemacht werden sollten, dennoch aber würde dem Lauf der Dinge nichts in den Weg zu legen sein, wenn es erwiesen wäre, daß wir hier durch Einführung der Flachsspinnerei-Maschinen besserer Verhältnisse herbei führen könnten. Allein nach allen bisher gesammelten Erfahrungen wird das nicht der Fall sein.“

Erst recht bezüglich der Weberei hoffte Gustav Delius, dass die Vorzüge des handgewebten Leinens diesem doch einen exklusiven Vorteil gegenüber dem weit günstigeren Maschinengewebe verschaffen könnten. 1847 schrieb er an die Berliner Regierung: „Der Ruf der Bielefelder Leinen ist uralt, ist bewährt, man erhalte ihn und benutze ihn, solange es möglich ist, zum Besten der arbeitenden Klasse. […] Für unser Leinen besteht eine gewisse Konsumption in und außer Europa, die dadurch allein zu erhalten und noch zu erweitern ist, daß wir ehrliche, gute Ware vom Handgespinst liefern und wahrlich, sie wird bleiben, wenn wir sie rein zu erhalten trachten und etwas Eigentümliches bewahren.“

Signatur E.A. Delius & Söhne 1860; Stadtarchiv Bielefeld

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Auswege aus der Leinenkrise: Verlagssystem und Mechanisierung

1844 beschritt die mittlerweile fünfte Generation Delius neue Wege. Nach dem Eintritt von Gustavs Sohn Hermann Delius (1819–1894) ließ E.A. Delius als erste Leinenhandlung Bielefelds auf eigene Rechnung weben. Ende der 1840er Jahre gingen auch andere Bielefelder Handelshäuser endgültig zum Verlagssystem über. Seit dieser Zeit kann man die Bielefelder Leinenhändler als „Leinenfabrikanten“ bezeichnen.

Hermann Delius schrieb 1844 an seinen Onkel Gottfried: „Wir müssen uns in die Zeit schicken und deren Anforderungen genügen. Sonst werden wir von ihr ereilt und zu Boden geworfen. Eine Maschinenspinnerei zu erhalten, muß unser Hauptziel sein. Ich erkenne darin das einzige Mittel, unserem gänzlich verfallenen Geschäft wieder auf die Beine zu helfen; […] unbedingt müssen wir zu einem anderen System übergehen, sonst werden wir es bitter bereuen müssen.“ Zehn Jahre später gab Hermann Delius die entscheidenden Impulse zur Gründung der Ravensberger Spinnerei AG ; 1862 gehörte er mit zum Gründungskomitee der Mechanischen Weberei.

Auswege aus der Leinenkrise: Die Seidenweberei

1844 begründeten Carl Albrecht und Gottfried Delius die Handweberei von Seidenstoffen, um die beschäftigungslosen Weber mit Arbeit zu versorgen. Während der Seidenzucht durch Anpflanzungen von Maulbeerbäumen bei Heepen und an Eisenbahnlinien kein Erfolg beschieden war, brachte die Seidenweberei den Durchbruch.

„1846 eröffnete die Firma E.A. Delius & Söhne ihren Seidenbetrieb, wozu man zwei Krefelder Werkmeister und eine Anzahl Krefelder Arbeiterinnen für die Winderei und Scheererei eingestellt hatte. Den Leinewebern war es ein leichtes, sich auf die Seidenweberei umzustellen. In einigen Wochen beherrschten sie wenigstens die Anfangsgründe der neuen Technik und arbeiteten sich nach und nach vollkommen ein. Der Seidenwebstuhl […] wurde von der Firma angeschafft und von den Arbeitern nach und nach abbezahlt. Im Jahre 1847 wurden schon 63 Leute mit Seidenweben beschäftigt.“ (Herbert Delius)

Innenhof des Geschäftshauses Güsenstr. 5–7 um 1920; Foto aus: Schmidt

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Anfangs wurden in erster Linie einfache schwarze Seidenstoffe gewebt: Krawattenstoffe, Taftstoffe und Satingewebe. 1850 webten bereits 120 Seidenweber heimgewerblich für E.A. Delius. Die Vorrüstungsarbeiten (Anrüsten, Zetteln, Winden, Sortieren) erfolgten im Stammhaus an der Güsenstraße 7, wo die Weber auch angelernt wurden. Gefärbt und appretiert wurden die Stoffe anfangs noch in Krefeld oder Elberfeld, bis in Bielefeld die Färbereien W. Hohmann und F.W. Lohmann sowie die Appretiererei Gebr. Sprick diese Produktionsschritte übernahmen. 1866–1870 entfielen zwei Drittel bis drei Viertel des Gesamtumsatzes der Firma E.A. Delius & Söhne auf den Bereich Seide.

1887 – Trennung der Zweige Seide und Plüsch

1883 nahm E.A. Delius & Söhne auch die Plüschweberei auf und gewann nach und nach einen festen Stamm an Plüschhandwebern. Die gute Entwicklung von Plüsch- und Seidenweberei ermöglichte schließlich die Trennung der beiden Produktionszweige in zwei unabhängige Firmen: Während sich Hermann Delius mit seinem Sohn Otto in der Firma Delius & Sohn vor allem der Leinen- und Plüschweberei zuwandte, widmete sich Carl Albrecht Delius mit seinen Söhnen Paul und Erich unter dem Namen C.A. Delius & Söhne weiter der Seidenweberei.

Links Carl Albrecht Delius (1827–1915), rechts sein Sohn Erich Delius; Fotos aus: Schmidt

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C.A. Delius & Söhne

1887 übernahm Paul Delius Leitungsfunktion bei C.A. Delius & Söhne. Pauls Hauptinteresse galt der Seidenweberei. Frühzeitig erkannte er auch die Bedeutung der Kunstseide. Im gleichen Jahr ging das Unternehmen zur Mechanisierung der Seidenweberei über und ließ an der Großen Kurfürstenstraße die erste mechanische Seidenweberei in Bielefeld bauen. Nur die Schärerei verblieb im Stammhaus an der Güsenstraße, bis dieses endlich nur noch als Kontor und Versandstelle fungierte. Doch noch 1893 beschäftigte das Unternehmen bis zu 1000 Handweber.

Seidenweberei C.A. Delius & Söhne an der Gr. Kurfürstenstr. 66 in den 1920er Jahren; Foto aus: Schmidt

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1895 wurde in Jöllenbeck mit dem Bau eines Sheddach-Gebäudes für 300 mechanische Webstühle begonnen, das sich nach mehreren Anbauten bis 1910 zum größten Werk der Firma entwickelte. Auch entstanden Zweigwerke in Werther (1908–1914), Augustdorf (1913) und 1924 in Spenge. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte C.A. Delius & Söhne etwa 1300 Arbeitskräfte.

C.A. Delius & Söhne im Zwanzigsten Jahrhundert

1917 schaffte Paul Delius mit seinen drei Söhnen Herbert, Wolf und Johann Daniel Delius den internationalen Durchbruch und erzielte Mitte der 1920er Jahre erstmals einen Exportüberschuss. Besonders auf dem Gebiet der seidenen Mantel- und Krawattenstoffe entwickelte sich die Firma zum Marktführer. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde auch die Produktion von Kunstseide forciert. 1930 folgte der Aufbau der Möbel- und Dekostoff-Produktion. 1937 brachte das Unternehmen die erste Automatenweberei in Deutschland in Betrieb. Auf der Weltausstellung in Paris gewann Delius den Grand Prix und die Goldene Medaille für Deko- und Möbelstoffe. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeiteten gut 3000 Beschäftigte für das Unternehmen.

Die Fassade von C.A. Delius an der Goldstraße 1938; Foto: Stadtarchiv Bielefeld

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Im zweiten Weltkrieg wurden die Häuser an der Güsenstraße 1–7 völlig zerstört, so dass sich die Geschäftsräume auf die erhalten gebliebenen Gebäude an der Goldstraße 16–18 verlagerten.

1960 entstand an der Ecke Goldstraße-Hagenbruchstraße ein neues Geschäftshaus. Die Delius-Webereien unter der Leitung von Ernst-August (1922–1997), Eduard (1922–1913) und Reinhard Delius (1923–2012) zählten nun zu den modernsten in Europa und exportierten weltweit in 89 Länder.

C.A. Delius & Söhne heute

Geschäftsführer der heutigen Unternehmens-Muttergesellschaft C.A. Delius & Söhne an der Goldstraße 16–18 sind die Vettern Rudolf und Friedrich Wilhelm Delius, die mittlerweile neunte Generation Delius in Bielefeld. Heute kommen unter der Holding C.A. Delius die Kompetenzen auf mehreren Gebieten zusammen: Die Delius GmbH ist spezialisiert auf die gehobene Objektausstattung. Die Tochtergesellschaft Delistar vertreibt u.a. schwer entflammbare Blendschutztextilien für Bildschirmarbeitsplätze. Die Tochter Delcotex in Jöllenbeck ist spezialisiert auf technische Gewebe – von Trägergeweben für Airbags bis hin zu Gittergeweben für den Straßenbau. Im ältesten Teil der Sheddachhalle an der Vilsendorfer Straße wird mittlerweile seit 1896 gearbeitet. 2010 waren bei Delcotex 135 Beschäftigte tätig.

Die Fassade von C.A. Delius an der Goldstraße 2014; Foto: Buchwald

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Lesetipps
  • Herbert Delius: „Geschichte der Firma C.A. Delius & Söhne“, in: Magistrat der Stadt Bielefeld (Hg.): Bielefeld. Das Buch der Stadt, Bielefeld 1926; Repr. 1978, S. 456–457.
  • Herbert Delius: „Die Seidenindustrie in Bielefeld“, in: Magistrat der Stadt Bielefeld (Hg.): Bielefeld. Das Buch der Stadt, Bielefeld 1926; Repr. 1978, S. 453–454.
  • Gerda Höffinghoff: Bemühungen um die Mechanisierung des Bielefelder Leinengewerbes, Bielefeld o.J.
  • Hans Schmidt: Vom Leinen zur Seide. Die Geschichte der Firma C.A. Delius & Söhne und ihrer Vorgängerinnen und das Wirken ihrer Inhaber für die Entwicklung Bielefelds 1722–1925, Lemgo 1926.

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