H. Gläntzer

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1827 eröffnete der Färber und Baudrucker Carl Ferdinand Gläntzer am Gehrenberg eine Färberei. 1856 übernahm sein Sohn Heinrich Christoph Gläntzer das Geschäft, das um einen Stoffhandel erweitert wurde. In den 1930er Jahren wurde die 10 Meter hohe Lichtreklame „Indanthren Gläntzer“ am Gläntzerschen Schornstein zu einem Bielefelder Wahrzeichen. Im Jahr 2001 schloss das traditionsreiche Textilgeschäft nach 174 Jahren.

Färberei und Stoffhandlung H. Gläntzer nach dem Umbau 1927; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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Gläntzer – Blaudruck und Färberei

Der Färber und Blaudrucker Carl Ferdinand Gläntzer eröffnete 1827 eine Färberei im Gehrenberg No. 141. Ferdinand Gläntzer starb jedoch schon 1838, mit nur 39 Jahren, so dass sein Sohn Heinrich Christoph nach Abschluss seiner obligatorischen Gesellenwanderjahre 1856 das Geschäft übernahm. Genau wie sein Vater hatte Heinrich Gläntzer den Beruf des Blaudruckers und Färbers erlernt. 1859 heiratete er Auguste Wigand, die Tochter eines Bierbrauers. Die Familie wuchs in wenigen Jahren auf sieben Personen an, die alle im Hause Gehrenberg No. 141 über dem Geschäftshaus wohnten.

Das Rezeptbuch Heinrich Gläntzers für die Farbmischungen, damals ein streng gehütetes Geschäftsgeheimnis jedes Färbers; Familienarchiv Gläntzer

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H. Gläntzer: Färberei und Stoffhandlung

Am 1. September 1873 kaufte Heinrich Gläntzer das Haus Gehrenberg No. 138, später No. 17, von der Witwe Kottmann. Das frühmittelalterliche Steinhaus, eines der ältesten Häuser Bielefelds, war 1765 vom jüdischen Kaufmann Nathan Spanier erworben, 1767 im Barockstil modernisiert und beim Wegzug der Familie Spanier aus Bielefeld 1797 an den Leinenhändler Carl Lueder verkauft worden. Carl Lueder betrieb seit 1801 auch eine Damastfabrik. Sein Sohn, Ferdinand Lueder, gründete 1837 zusammen mit August Wilhelm Kisker die Firma Ferd. Lueder & Kisker. Das Haus am Gehrenberg verkaufte Ferdinand Lueder 1834 an August Kottmann, der dort eine Leinwand-Appreturanstalt betrieb.

Die dampfbetriebene große Mangel um 1920; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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Im Gebäude des Färbers und Appreteurs Kottmann waren die technischen Voraussetzungen für Gläntzer wesentlich besser als im alten Haus, denn Kottmann hatte sich dem technischen Fortschritt angepasst und arbeitete mit Hilfe einer Dampfmaschine mit 6 PS – der ersten in Bielefeld! – , die die große Mangel antrieb und für elektrisches Licht sorgte. Das Haus verfügte über eine eigene Wasserleitung, einen Hofraum und genug Wohn- und Geschäftsraum, um den Betrieb vergrößern zu können, denn das Grundstück reichte bis zur Renteistraße. Die Färberei wurde im Hinterhof eingerichtet.

Haus Gläntzer mit Färberei im Hof, Lageplan von 1884; Familienarchiv Gläntzer

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1873 eröffnete Heinrich Christoph Gläntzer einen Stoffhandel. Das Geschäft war von Anfang an auf Landkundschaft eingestellt. Die Bauern und Handweber der Umgebung lieferten die selbst gesponnenen Garne zum Färben, um daraus später ihr blau- und rotweiß-gewürfeltes Bettzeug zu weben, und ihr selbst gewebtes Leinen, um es für Tischdecken und Kleiderstoffe bedrucken zu lassen. Sie bezahlten diese Arbeit mit Garn und Leinenballen. Dieser Naturalerlös wurde im Geschäft verkauft und fand seine Käufer in der Stadt. So betrieb Gläntzer nicht nur Lohndruck, sondern kaufte auch Leinen, Nessel und Köper bei kleineren Webereien in der Umgebung an, die er färbte oder bedruckte und weiter verkaufte.

Geschäftsräume der Stoffhandlung um 1920 mit Anker-Registrierkasse und elektrischem Licht; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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Im Mai 1888 brach in der Färberei ein Brand aus, der einen Großteil der Druckmodeln zerstörte. Dies bedeutete auch das Ende der Blaudruckerei im Haus, denn der handwerkliche Blaudruck war ohnehin auf dem Rückzug, so dass sich die Neuanschaffung von Druckmodeln nicht mehr rentiert hätte. Stattdessen wurde mit dem Neubau nach dem Brand die Färberei vergrößert.

Die Blaudrucker bekamen ohnehin die starke Konkurrenz der Stoffdruckindustrie zu spüren und mussten sich meist schnell auf den Vertrieb industriell bedruckter Textilien umstellen, um überleben zu können. Viele Blaudrucker nahmen also eine Stoffhandlung hinzu, in der sie zunächst ihre selbstgefertigten Stoffe verkauften, später industriell hergestellte Waren. So sicherten sie sich, als das alte Handwerk der Blaudruckerei zum Erliegen kam, ihre Existenz.

Kassenzettel Gläntzer von 1900; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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Auch die Stoffhandlung des Hauses Gläntzer, die in der großen Stube eingerichtet war und im Winter durch einen Barockofen geheizt wurde, bekam nun zur Straße hin zwei Schaufenster, die Laufkundschaft anzogen.

Heinrich Christoph leitete das Geschäft bis 1895. Nach seinem frühen Tod führte seine Witwe Auguste den Stoffhandel weiter. Im Jahre 1897 ließ sie zwei weitere Schaufenster einbauen und die Ladenfläche vergrößern. Sie ist es wohl auch gewesen, die zwei Jahre zuvor einen Telefonapparat im Geschäft anbringen ließ und so einen weiteren Schritt zum technischen Fortschritt machte.

Heinrich Christoph Gläntzer und Auguste Gläntzer, geb. Wigand, 1890; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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1899 trat ihr Sohn Otto in das Geschäft ein und übernahm die kaufmännische Leitung, während sein Bruder Karl die Färberei leitete. 1897 und 1927 wurde das Ladengeschäft noch einmal durch Entfernung einer Wand vergrößert, bis Otto Gläntzer zum 100-jährigen Jubiläum im Herbst 1927 den Geschäftsraum noch einmal erweitern und das ganze Haus unterkellern ließ. Im Jahr 1900 wurde ein 40 Meter hoher runder Schornstein für die Färberei erbaut, der von nun an das ganze Viertel überragte.

Hausansicht aus den Umbauplänen 1927; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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„Indanthren Gläntzer“ – ein Markenzeichen

Im Jahre 1903 begann die Färberei Gläntzer die ersten Indanthren-Farben zu verwenden. Der Name dieses deutschen Farbstoffes von unübertroffener Farbechtheit sollte wenig später die Welt erobern. 1930 wurde am Färberei-Schornstein eine 10 Meter hohe Lichtreklame mit dem Schriftzug „Indanthren Gläntzer“ angebracht, die in der ganzen Altstadt gut zu sehen war. Der leuchtende Schriftzug wurde zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt Bielefeld.

Am 13. Juni 1941 traf eine britische Brandbombe das Wohn- und Geschäftshaus sowie die Färberei. Das Geschäft wurde zunächst in Ausweichräumen in der Rathausstraße untergebracht, bis auch dieses Haus den Bombenangriffen zum Opfer fiel. Nach Kriegsende waren die Häuser im Gehrenberg so stark zerstört, dass ein völliger Neuaufbau nötig war. Nur der hohe Schornstein hatte die Bombenangriffe ohne Schaden überstanden und überragte die Trümmerlandschaft der Altstadt.

Gläntzer-Schornstein mit Lichtreklame 1950; Foto: Stadtarchiv Bielefeld

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In der Nachkriegszeit

1948 arbeitete die Garnfärberei wieder, doch der Neubeginn war schwierig, denn kurz vor dem Krieg bestellte und bereits bezahlte Färbereimaschinen waren durch Kriegseinwirkungen auf dem Bahnhof von Görlitz vernichtet worden. In den folgenden Jahren entstand der Plan für ein neues modernes Wohn- und Geschäftshaus am Gehrenberg. Durch Erbschaft erstreckte sich das Grundstück nun auch auf das Eckgrundstück zur Steinstraße hin und umfasste die Häuser Gehrenberg 15 und 17, Steinstraße 4 und 6 sowie Renteistraße 32.

1953 war der Neubau bezugsfertig. Im Erdgeschoß entstanden fünf Ladenlokale, darunter auch die neuen Geschäftsräume der Firma Gläntzer.

Verkaufsräume 1950; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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Haushaltswäsche aus Leinen und Halbleinen

Die Färberei wurde Anfang der 60er Jahre eingestellt, da sie nicht mehr rentabel arbeitete. 1966 wurde der hohe Schornstein Schicht für Schicht abgetragen. 1972 übergab Heinrich Gläntzer das Geschäft an seinen Sohn Christoph, der gemeinsam mit seiner Frau Margret das Geschäft in der fünften Generation führte. Im gleichen Jahr wurde der Laden durch einen weiteren Umbau vergrößert. Kontor und Nähstube zogen in Räume im hinteren Bereich des Hauses um.

In den folgenden Jahren konzentrierte sich das Geschäft auf Tisch-, Küchen- und Bettwäsche. Dabei fand Gläntzer eine wichtige Marktnische: die Anfertigung von Tischwäsche in Sondermaßen. Die Kunden wählten die Stoffe aus und Weißnäherinnen brachten diese in der Nähstube oder in Heimarbeit auf das gewünschte Sondermaß.

Haushaltswäschegeschäft Gläntzer 1972; Foto: Familienarchiv Gläntzer

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Im Jahr 2001 schloss das traditionsreiche Textilgeschäft nach 174 Jahren. Heute ist die Firma Gläntzer eine Immobilien-Verwaltungsgesellschaft.

Text und Fotos: Familienarchiv Gläntzer

Lesetipps
  • „Gläntzer. Gestern und heute ein vielseitiger Fachbetrieb der Textilbranche“, in: Andreas Beaugrand (Hg.), Stadtbuch Bielefeld. Tradition und Fortschritt in der ostwestfälischen Metropole, Bielefeld 1995, S. 554.
  • „Technik des Blaudrucks“, in: Blaudruckerei Elke Schlüter, online.

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